
Jardin d’Hiver #3. DECORAMA
Jardin d’Hiver #3. DECORAMA vereint zehn bildende Kunstschaffende, die anhand von Ornament und Dekoration die Begriffe Geschmack, Klasse und Geschlecht untersuchen. Die Ausstellung steht in einer langen Waadtländer Tradition, die mit der Entwicklung der dekorativen und angewandten Kunst verknüpft ist.
Zwar ist heute bekannt, dass das Ornament ein Kennzeichen der Menschheit ist, doch haben seine Problematik und die Frage seiner Bedeutung seit jeher die Debatten belebt. Bereits Plato und Aristoteles hatten es abwechselnd verurteilt und rehabilitiert. Bald als nutzloses Trugbild, bald als Symbol des Göttlichen und Wissensträger betrachtet, ist das Ornament grundlegend mit der Frage nach Zweck und Schönheit verbunden. Jahrhundertelang besass es eine moralische Funktion, während Handwerker, Künstler:innen und Bürger:innen die geltenden Dekorationsregeln befolgten, um sich der vorherrschenden sozialen und religiösen Hierarchie zu unterwerfen.
Mit dem Aufkommen der Moderne im 20. Jahrhundert wird das Ornament, das man mit dem Dekorativen verwechselt, durch die funktionalistischen und elitären Diskurse von Architekten wie Le Corbusier und Adolf Loos oder von Malern wie Wassily Kandinsky und Piet Mondrian für null und nichtig erklärt und häufig verspottet. Da Industrialisierung und Mechanisierung es ermöglichten, Motive nach Belieben zu reproduzieren, wurde das Handwerk nun den «niederen» Künsten zugeordnet.
Von Anfang an stellt das Ornament die Frage der vermeintlichen Beziehung zur Genderidentität (und/oder zur sexuellen Orientierung), die aus dem Schmuck und seiner angeblichen Verbindung zum «Weiblichen» eine ungehörige, exzessive oder gar monströse Frivolität macht. Seit der Postmoderne hat es jedoch erneut einen kanonischen Platz in den «hohen» Künsten erlangt, zumal es in Wirklichkeit
stets mehr oder weniger offenkundig in der Kunst präsent war. Zudem wird es weiterhin als formale, konzeptionelle, aber auch politische Strategie genutzt (und gefordert). Die Ausstellung DECORAMA
präsentiert bildende Kunstschaffende, die in ihrer Tätigkeit Ornament und Dekoration als Mittel verwenden, um Begriffe wie Geschmack, Klasse und Geschlecht zu untersuchen. Auch wenn es spekulativ erscheinen mag, unterschiedlichste Praktiken in geografischer Hinsicht zu vereinen, steht die Ausstellung in einer langen Waadtländer Tradition, die mit der Entwicklung und Aufwertung der dekorativen und angewandten Kunst verbunden ist.
Die Ausstellung ist eine Hommage an Marc Camille Chaimowicz (1947, Paris – 2024, London), der vor einem Jahr starb und dessen Werk und Denken DECORAMA zugrunde liegen.
Kuratorin der Ausstellung: Elise Lammer
Publikation: die Ausstellung wird von der dritten Ausgabe der Reihe „Jardin d’Hiver“ begleitet.
Pauline Boudry & Renate Lorenz, "Curtain Piece" (disobedient), 2023. Installation aus Kunstleder, ca. 400 x 1200 cm. © Pauline Boudry & Renate Lorenz. Bildnachweis: Michiel de Cleene
Beteiligte Kunst-schaffende
Elie Autin
Caroline Bachmann
Pauline Boudry & Renate Lorenz
Marc Camille Chaimowicz
Sebastián Dávila
Sarah Margnetti
Julie Monot
Stéphane Nabil Petitmermet
Guillaume Pilet
Das Format «Jardin d’Hiver»
Die Biennale Jardin d’Hiver ist eine Weiterführung der Ausstellungen Rencontre avec… (1972–1982), Regards sur le présent (1982–1990), Échanges d’espaces (1994–1995), Préludes et Perspectives romandes (1995–1999) und Accrochage [Vaud] (2003–2016).
Jede Ausgabe von Jardin d’Hiver wird auf Wettbewerbsbasis einer oder einem externen Kurator*in übergeben und bezweckt, nicht nur Kunstschaffende aus der Region zu unterstützen und durch Ausstellungen bekannt zu machen, sondern auch die Blicke auf das Waadtländer Kunstschaffen zu variieren, insofern eine vom MCBA unabhängige Person in dessen Räumlichkeiten intervenieren kann. Sie bietet die Möglichkeit, ein ausgefallenes Projekt zu konzipieren, das in enger Zusammenarbeit mit den vom Kuratorium ausgewählten Kunstschaffenden für die Museumsräume entwickelt wird.
Partner
Mit der Unterstützung der Fondation Leenaards, Partnerin des Projekts Résonances, das den Dialog zwischen den drei Museen durch thematische Aufträge an lokale Künstler fördert.
Im Rahmen dieses Projekts beauftragte das MCBA Guillaume Pilet, Julie Monot, Sébastian Dávila, Sophie Jung, Alizée Quinche, Ciel Sourdeau sowie das Studio Trojans Collective, bestehend aus Helena Bosch Vidal und Jessica-Maria Nassif, mit der Produktion von Installationen.
Sarah Margnettis Wallpaper wird von Wallpapers by Artists mitveröffentlicht.

