Dossier: G. Penone

Giuseppe Penone:
eine neue Leitfigur der Sammlung

Eine majestätische Skulptur empfängt die Besucher:innen; wichtige Werke bereichern den Bestand des MCBA.

Der italienische Künstler, der zur Arte Povera-Bewegung gezählt wird, ist in letzter Zeit zu einer der Schlüsselfiguren des Waadtländer Kulturerbes geworden. Dank der Grosszügigkeit der Galeristin Alice Pauli besitzt das MCBA nun einen bedeutenden Giuseppe-Penone-Fundus. Eine Zeichnung und ein Wandrelief sind in der Dauerausstellung zu sehen, und die Skulptur Luce e ombra, die ihre Wurzeln in der Empfangshalle geschlagen hat, ist für das Publikum bereits zur Ikone geworden.

"Luce e ombra"
Ein 14,5 m hoher Baum aus Bronze, Granit und Gold hat im MCBA Wurzeln geschlagen.

In der Haupthalle markiert die Skulptur des italienischen Künstlers den Genius loci und seine Zugehörigkeit zur Welt der Kunst. Die Arbeit gründet auf den Urbedingungen des Sichtbaren: Licht und Schatten.

Luce e ombra wurde dem MCBA – und damit dessen Besucher:innen – von der Galeristin Alice Pauli geschenkt. Der 2011 datierten Skulptur, die als erstes Werk im neuen MCBA aufgestellt wurde, liegt der Abguss eines echten Baums zugrunde. Das Laub der Kugel ist mit 24-karätigem Blattgold verziert. Der Baum wiegt 3500 kg und besteht aus 13 Elementen: 11 Ästen, dem mehr als 10 m hohen und 2000 kg schweren Stamm und der Granitkugel mit einem Gewicht von 800 kg.

Giuseppe Penone: «Der Baum ragt in den Himmel empor, und das Laub weitet sich zu einer grossen kugelartigen Form, um so viel Licht wie möglich einzufangen. Das ist der Grund, warum die Blätter golden sind. Bronze hingegen ist ein Element, das der Schwerkraft unterliegt und uns in die Tiefen der Erde, in die Dunkelheit führt.» Giuseppe Penone (geb. 1947 in Garessio, lebt und arbeitet in Turin) wird mit der Arte Povera-Bewegung in Verbindung gebracht, die sich für eine Rückbesinnung der Kunst auf das Wesentliche einsetzt, indem sie über die Beziehung zwischen Natur und Kultur nachdenkt.

Giuseppe Penone, Luce e ombra, 2011. Bronze, Gold und Granit, 1450 x 470 x 490 cm.
Schenkung Alice Pauli, 2016. Musée cantonal des Beaux-Arts Lausanne.
Foto: MCBA, Etienne Malapert

Drei kommentierte Werke

"Luce e ombra": montage

Eine Herausforderung für die Werkregistratur

Sofia Sanfelice di Monteforte, Registrarin am MCBA, berichtet über die Ankunft von «Luce e ombra» in der Haupthalle des Museums

Gespräch aus derBesucherApp Collection.

Video ansehen

Die Skulptur wird regelmässig sorgfältig gepflegt.

Die Skulptur wird regelmässig sorgfältig gepflegt. Im Bild: Eine Konservatorin-Restauratorin und der technische Leiter entstauben den Baum, die 11 Bronzezweige, die Granitkugel und die mit 24-karätigem Blattgold vergoldeten Wedel.

Alice Pauli, Stifterin

«Schenken, teilen»

Aussagen notiert von Camille Lévêque-Claudet, Konservator (November 2018)

Alice Pauli eröffnete ihre Galerie 1962 in der Avenue de Rumine in Lausanne, bevor sie 1990 in das Quartier Le Flon umzog. Anlässlich des ersten Salon international de galeries-pilotes 1963 im Musée cantonal des Beaux-Arts Lausanne lernte sie zahlreiche internationale Künstler*innen kennen, für die sie später grosse Ausstellungen organisierte. Parallel zu ihrer Tätigkeit als Galeristin sammelte Alice Pauli seit jeher die von ihr vertretenen Künstler*innen und lebte inmitten von deren Werken. Zur Eröffnung des neuen Museums spendete sie einige Juwelen aus ihrer Sammlung.

CLC: Alice Pauli, was ist der Grund/sind die Gründe für die Schenkung von Werken an ein Museum?

AP: Als mein Sohn starb, wünschte ich mir, dass meine Sammlung später einmal nicht verstreut wird, sondern weiterlebt. Für mich war es die beste Lösung, dass die Werke in die Sammlung eines Museums gelangen und dort ausgestellt werden. Es ist mir ein grosses Anliegen, zu einer besseren Kenntnis der grossen Namen der modernen und zeitgenössischen Kunst beizutragen, indem ich einem möglichst breiten Publikum die Konfrontation mit den Originalwerken ermögliche. Der Kontakt mit den Künstler:innen hat mir viel gebracht; ich möchte, dass die Werke ihrerseits dem Publikum etwas bringen. Der Begriff des Teilens ist ebenfalls wichtig. Wir sind hier nur auf der Durchreise.

CLC: In den letzten Jahren haben Sie dem MCBA mehrere Werke von bedeutenden Vertretern der modernen und zeitgenössischen Kunst wie Pierre Soulages, Giuseppe Penone, William Kentridge und Anselm Kiefer geschenkt. Erst kürzlich ermöglichten Sie, dass ein Hauptwerk von Anish Kapoor in die Sammlung des Museums gelangte und dazu Arbeiten von Rebecca Horn, Maria Elena Vieira da Silva, Jannis Kounellis und François Morellet sowie das beeindruckende Relief A occhi chiusi von Giuseppe Penone, das speziell für den Museumsneubau geschaffen wurde und derzeit in Ihrer Galerie zu sehen ist. Warum haben Sie sich für das MCBA entschieden?

AP: Ich habe eine besondere Beziehung zu Lausanne und dem Kanton, weil ich hier lebe und meine Tätigkeit entwickelte. Eines der Ziele meines Manns – Pierre Pauli – und mir war es immer, an der kulturellen Entwicklung der Region mitzuwirken. Darauf hatten wir schon früher mit den Biennales de la tapisserie und dem Salon de galeries-pilotes hingearbeitet. Das MCBA zum endgültigen Bestimmungsort der Sammlung zu machen, ist eine Verlängerung unserer künstlerischen Aktivitäten.

CLC: Hat die Realisierung des neuen Museumsprojekts bei dieser Entscheidung eine Rolle gespielt?

AP: Hätte es nicht um das Projekt des neuen Museums nicht gegeben, hätte ich anders gedacht. Man bot mir an, eine Stiftung zu gründen oder andere Dinge zu tun. Der Beginn der Arbeiten am neuen Museum war ein entscheidender Moment.

CLC: Warum schenken Sie gerade jetzt (AdR: November 2018), zur Eröffnung des MCBA, Kunstwerke?

AP: Mein Wunsch ist es, an der nationalen und internationalen Ausstrahlung des Museums mitzuwirken, indem ich wichtige Werke von bedeutenden Vertretern der modernen und zeitgenössischen Kunst spende, die bisher nicht in den Sammlungen vertreten sind (Soulages, Penone, Kentridge, Kiefer, Kapoor …). Diese Werke müssen bereits im Eröffnungsjahr ausgestellt werden können, denn dann steht das Museum im Rampenlicht. Ich hoffe sehr, dass das Projekt des neuen Museums weitere Sammler*innen ermutigt, wichtige Werke zu stiften, um das MCBA zu einer hochrangigen Institution zu machen und die Position von Lausanne und des Kantons als bedeutender Kulturdestination zu stärken.

In den Medien

RTS, Florence Grivel – Porträt von Alice Pauli

Gespräch mit Françoise Jaunin, Kunstjournalistin.
Gesendet am 3.12.2019

Lesen und hören rts.ch

24 heures, Florence Millioud-Henriques - "L’arbre de Penone fait monter la sève au MCBA"

Erschienen am 24.6.2019

Lesen auf, 24heures.ch

Publikationen

Regarde, elles parlent !
15 Werke aus dem Museum erzählen dir ihre Geschichte

Diese Geschichten präsentieren fünfzehn Werke aus der Sammlung des MCBA, von François Dubois bis Kader Attia, mit Reproduktionen und unveröffentlichten Illustrationen von Fausto Gilberti.
Für Kinder ab 8 Jahren

Gisèle Comte, Sandrine Moeschler, Laurence Schmidlin und Deborah Strebel

(F), 92 S., 15 Farbabb. und 15 Originalabbildungen von Fausto Gilberti, 15 x 21 cm

Ko-Edition: Musée cantonal des Beaux-Arts Lausanne / La Joie de lire Genf

ISBN : 978-2-88908-489-0

CHF 19,90.-

Sammlungsführer in F und E

Mit Texten von Bernard Fibicher, Catherine Lepdor, Camille Lévêque‑Claudet, Laurence Schmidlin, Nicole Schweizer und Camille de Alencastro

Ko-Edition: Musée cantonal des Beaux‑Arts Lausanne et Scheidegger & Spiess Zürich 2020

(2 Ausgaben F + E), 248 S., 226 Farbabb.

CHF 25.–