Ausstellungsführer
Résister, encore

Einführung

Rückzug, Schweigen, Resilienz, Zetermordio, Empörung, Protest, Aktion, Reflexion, Satire … Diese Gruppenausstellung veranschaulicht die Formen des Widerstands, die von Kunstschaffenden angesichts der grossen Herausforderungen unserer Zeit als Strategien des Überlebens entwickelt wurden.

Ein wachsendes Misstrauen gegenüber dem neoliberalen Kapitalismus, politischen Autoritäten oder systemischen Privilegien veranlasst immer mehr Menschen, gegen Polizeigewalt, Homophobie, Korruption, sexuelle Belästigung, Massenabholzung, weisse Vorherrschaft, einschränkende Corona-Massnahmen, Windkraftanlagen, Kopftuchtragen, Einwanderung, Globalisierung usw. zu demonstrieren.

Widerstand ist ein konstituierender Bestandteil der Kunst. Résister, encore (Widerstand leisten, noch und noch) untersucht beispielhafte individuelle und kollektive Strategien des Widerstands angesichts der grossen Herausforderungen unserer Zeit. Weil Künstler*innen im Bereich des «Überflüssigen» arbeiten und sich nicht in irgendeine «Ordnung der Dinge» einfügen müssen, können sie es sich leisten, alle grundlegenden Fragen zu stellen, ohne sich einem politischen, religiösen, wirtschaftlichen, moralischen oder gar ästhetischen Kontext zu beugen. Die im Rahmen von dieser Ausstellung gezeigten Werke sind keine politischen Manifeste der einen oder anderen Richtung, sondern eigenständige Arbeiten, die Modelle alternativer Welten entwerfen.

Bernard Fibicher, Direktor Ausstellungskurator

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Die nachfolgenden Erläuterungen sind in alphabetischer Reihenfolge der Künstler* innennamen aufgeführt.

Miriam Cahn
(Basel, 1949)

Die Bilder und Zeichnungen von Miriam Cahn sind Kampfarenen, Schlachtfelder. Vergewaltigungen, Ausschreitungen, Erniedrigungen, körperliche Gewalt, Folter – nichts bleibt denjenigen erspart, die es wagen, sich mit ihren Werken zu konfrontieren. Diese spontane, zornige, scheinbar unbeholfene und oft zynische Kunst (z. B. «schönes bild»!) ist das Ergebnis einer täglichen Auseinandersetzung; sie ist der unmittelbare Ausdruck der Überzeugungen der Künstlerin und ihrer Sicht auf eine dramatische, unmenschliche Welt, in der nur wenig Platz für Schönheit, Frieden und Harmonie bleibt. Obwohl sie die geschlechtlichen Attribute ihrer Figuren betont, schafft Cahn einen Typus Mensch, der sich der Zuweisung zu einem Geschlecht und zu Geschlechterrollen verweigert. Dieser Mensch bewegt sich in einer leeren Welt und das Einzige, was ihn in diesem Nichts hält, ist die Farbe. Existenzielles Schaffen, feministisches Manifest, Verurteilung jeglicher zerstörerischer Gewalt – durch Malen immer wieder Widerstand leisten ist das Credo der Basler Künstlerin.

Banu Cennetoğlu
(Ankara, 1970)

Dieses Werk ist eine Hommage an Gurbetelli Ersöz, Journalistin und einzige weibliche Chefredakteurin der pro-kurdischen Zeitung Özgür Gündem. Nachdem sie verhaftet, ins Gefängnis geworfen und gefoltert worden war, entschied sich Ersöz, zu den Waffen zu greifen und sich der Guerilla der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) anzuschliessen. Zwischen 1995 und 1997, als sie im Kampf getötet wurde, führte sie ein Tagebuch. 1998 wurde dieses Buch erstmals in Deutschland veröffentlicht und 2014 auch in der Originalsprache Türkisch publiziert. In der Türkei ist es jedoch verboten. Die lithografischen Kalksteinplatten im stählernen Regal von Banu Cennetoğlus Gurbet’s Diary (2016-2017) enthalten sämtliche Passagen des Tagebuchs in ihrer griechischen Übersetzung. Entstanden ist dieses Werk anlässlich der documenta 14 (2017) in Athen, wo es im Park der Gennadius Bibliothek präsentiert wurde. Der druckfertige Text des Tagebuchs bildet zugleich eine schwere Skulptur, eine Wand und ein Mahnmal.

Michel François
(Saint-Trond, 1956)

Michel François hat sich in seinen Arbeiten oft mit dem Übergang von einem einengenden Hier in ein freieres Jenseits auseinandergesetzt: er hat eine vergängliche Zelle entworfen, Fluchtpläne entwickelt, einen aufgebrochenen Pavillon gebaut, Löcher in eine Wand gebohrt… Dieser mit Blattgold überzogene Käfig (Golden Cage II, 2009) ist eine instabile, zerbrechliche Installation, Barriere und Öffnung zugleich, ein paradoxes Symbol für Abgeschlossenheit und Durchlässigkeit. Dabei steht das glitzernde Gold des Käfigs in Verbindung zu einem daneben stehenden in der Mitte durchbohrten Stapel von Plakaten, die einen Schatz darstellen: Münzen aus aller Welt, unter denen man aber auch Patronenhülsen entdecken kann. Diese Arbeiten verweisen auf die (soziale? politische?) Problematik mehrerer Antagonismen – Inklusion versus Exklusion, Freiheit versus Macht. Als Antwort darauf schlägt der belgische Künstler Räume der Freiheit vor, in denen alles in Bewegung (die Wandmalerei Instant Drawing (2022) mit «mobilen» Eichenblöcken) und im Fluss ist – die sowohl das eine als auch das andere sein können.

Philip Guston
(Montréal, 1913 – Woodstock, 1980)

1968 kehrte der jüdisch stämmige amerikanische Künstler Philip Guston nach einer Phase der lyrischen Abstraktion zur figurativen Kunst zurück und sorgte damals – und heute noch mehr – für einen Skandal, als er Mitglieder des Ku-Klux-Klans bei alltäglichen Handlungen wie Zigarre rauchen, sich unterhalten, schlafen, Auto fahren oder auch malen darstellte. Indem er sich mit dem Bösen identifizierte und die psychologische und moralische Komplexität des Schlechten erforschte, verwies er uns auf die existenziellen Dilemmas, die durch die weisse Vorherrschaft hervorgerufen werden. Die weisse Leinwand des Malers ist der gleiche Stoff, aus dem die spitzen Kapuzen der Klan-Mitglieder gefertigt sind. Schlimmer noch: Gustons Figuren wirken wie aus einem Comic entnommen. Die weisse Vorherrschaft hat es sich also in der Populärkultur gemütlich gemacht – eine weitere Form der Banalisierung von Gewalt, die nur skandalös wirken kann.

Thomas Hirschhorn
(Bern, 1957)

Für einen Künstler, der behauptet, sein Problem als Künstler – und das Problem der Kunst – bestehe darin, «Form zu geben», ist die Ruine ein perfektes Übungsgelände, denn «eine Ruine ist eine Form, eine ewige, universelle und zeitlose Form». Eine Form, die aus der Zerstörung einer anderen Form resultiert, und damit etwas, das um seiner selbst willen betrachtet werden muss. Der Titel dieser Collage, A Ruin is a Ruin (2016), ist eine Anspielung auf die berühmte Tautologie der amerikanischen Schriftstellerin und Sammlerin Gertrude Stein «A rose is a rose is a rose» in ihrem Gedicht Sacred Emily (1913). «Eine Ruine ist ein abstrakter, zeitloser, absolut wertfreier Ort», so Hirschhorn. Die Collage ermöglicht eine Zusammenstellung von Ruinen verschiedener Epochen auf einer Ebene und damit eine vergleichende Analyse ihrer unterschiedlichen Formen. Diese formalistische Lesart offenbart aber auch einen ewig währenden tragischen Zustand der Welt, geprägt durch «archäologische Ruinen, Korruption, Naturkatastrophen, Feuer, Wasser, Baufehler, einen kulturellen, politischen, ästhetischen oder wirtschaftlichen Kollaps, materielle Schwächen, Nachlässigkeit, Unfälle, Bombenangriffe».

Amar Kanwar
(New Delhi, 1964)

Dieses visuelle Gedicht des indischen Filmemachers Amar Kanwar mit dem Titel Such a Morning (2017) ist insofern subversiv, als es sich mit der Wahrnehmung von Nuancen in einer Welt befasst, die immer mehr über Slogans, Kurzmitteilungen und binäre Systeme funktioniert. Er handelt von einem Mann und einer Frau und ihrer bewusst gewählten Einsamkeit. Ein Mathematiker, der seine Universität von einem Tag auf den anderen verlassen hat, zieht sich mitten im Wald in einen alten Eisenbahnwaggon zurück, um die Dunkelheit in all ihren Feinheiten zu studieren. Sein Bewusstsein wird immer klarer, während die Welt um ihn herum immer dunkler wird. Seine Bleibe ist ein pessimistisches Symbol für eine unmögliche Reise und unmöglichen Fortschritt. Nur eine kontemplative Suche nach Klarheit ausserhalb der Welt ist noch möglich. Die andere Figur ist eine Frau, die ruhig in einem Sessel sitzt und liest, während ihr Haus über ihr abgebrochen wird. Hier erlebt man mit, wie das Licht allmählich eindringt. Zwei Formen des individuellen Widerstands, die nicht passiv, sondern symbolisch sind und die dadurch, dass sie über einen Film an die Öffentlichkeit gebracht werden, eine exemplarische Bedeutung erhalten.

William Kentridge
(Johannesburg, 1955)

Die Videoinstallation Notes Towards a Model Opera (2014-2015) des südafrikanischen Künstlers ist das Ergebnis langer Recherchen über das Phänomen der «Modelloper»: ein Genre, das während der Kulturrevolution in China (1966–1976) erfunden wurde. Ziel dieser Opern war es, den Klassenkampf und seine proletarischen Helden (Arbeiter und
Bauern) zu feiern, ein neues kollektives Gedächtnis als Gegenstück zur «feudalen» Ideologie des alten China aufzubauen und das revolutionäre China durch seine Siege über Feinde wie etwa Japan zu verherrlichen. William Kentridge versucht, diese ästhetische und ideologische Transformation der revolutionären chinesischen Ballettoper an den südafrikanischen Kontext, seine Geschichte der sozialistischen Führer und seine musikalische Tradition der «kolonialen» Tanzgruppen der 1950er Jahre anzunähern. Dabei arbeitete er eng mit der renommierten Choreografin und Tänzerin Dada Masilo (1985 Soweto) zusammen, um eine expressiv-ironische Sprache zu entwickeln. Die zahlreichen Zitate und Aufforderungen auf Plakaten («Seize the ego» [Nutze das Ego], «Be not so refined» [Sei nicht so kultiviert], «Crush the 4 olds» [Vernichte die 4 Relikte], …) dekonstruieren die Kunst als Vehikel für politische Propaganda und machen Notes Towards a Model Opera zu einem eigenständigen Werk von universeller Bedeutung

Kimsooja
(Daegu, 1957)

Die aus Südkorea stammende KünstlerinKimsooja arbeitet seit Anfang der 1990er Jahre mit Bottari – Bündeln aus bunten Bettdecken, die in Korea traditionell verwendet werden, um bei einem Umzug Kleider und alle Siebensachen eines Haushalts zu transportieren. Manchmal platziert sie diese einzeln oder in Gruppen auf dem Boden, dann wieder integriert sie sie in Videos und Performances, verschnürt auf einem Pick-up, der durch Städte und Landschaften fährt, oder in Objektskulpturen wie Bottari Tricycle (2008). Dieses Werk kann auf zwei Arten präsentiert werden: in einer «klassischen» Version als Dreirad mit fest verschnürten Bottari auf der Ladefläche oder in einer «barocken» Version, mit gekipptem Gefährt und auf dem Boden verstreuten Bündeln. Hier wird es in dieser zweiten, dramatischeren Version gezeigt, die auf die Gefahren der Migration und die durch Zwangsumsiedlung verursachten Tragödien verweist.
Ein Konferenztisch? Eine kosmische Landschaft? Oder Gartenbau nach der Fukuoka-Methode? Archive of Mind (2017) kennt keine Spielregeln. Wir verstehen aber instinktiv, dass wir eingeladen sind, an einem kollektiven Experiment teilzunehmen, eine Handvoll Ton zu ergreifen, ihn zu einer Kugel zu formen und diese dann auf die grosse Tischplatte zu legen. Hier geht es buchstäblich um Komposition, ein Begriff, der sich aus den lateinischen Wörtern «com» (mit, zusammen) und «ponere» (legen) zusammensetzt. Dieses Gemeinschaftswerk lebt von der Energie und Geduld jeder einzelnen Person. Jede Kugel ist anders und bewahrt die einzigartigen Abdrücke unserer Hände. Dieses Archiv unserer Körper, das Ergebnis einer manuellen Tätigkeit, wächst über sich hinaus und wird zu einem Akt der kollektiven Meditation: ein Archiv des Geistes. Die Konstellation der Tonkugeln, die sich im Laufe der Ausstellung verändert, lehrt uns, dass wir zugleich Individuen und soziale Wesen sind, isoliert und verbunden, Körper und höheres Bewusstsein.

Sigalit Landau
(Jerusalem, 1969)

Sigalit Landau inszenierte die Performance Barbed Hula (2001) ohne Publikum, nur vor dem Auge der Kamera, bei Sonnenaufgang an einem Strand südlich von Tel Aviv (der einzigen ruhigen und natürlichen Grenze Israels). Dabei filmte sie sich nackt, ohne ihr Gesicht zu zeigen, beim Hula-Hoop-Tanz und liess einen Stacheldrahtreifen um ihre Taille kreisen, der Grenzen und Ausgrenzung symbolisiert. Die Zeitlupe und die lange Plansequenz, bei der die Kamera immer näher heranzoomt, erhöhen das Schmerzempfinden bei den Betrachterinnen und Betrachtern, auch wenn die meisten Spitzen des Stacheldrahts nach aussen gerichtet sind. Die Künstlerin absolvierte zunächst eine Ausbildung als Tänzerin und musste dann den obligatorischen Dienst in der israelischen Armee leisten. Ihr Werk ist eng mit dem Körper und den Begriffen Widerstand und Erschöpfung verbunden. Zu Salted Lake (Salt Crystal Shoes on a Frozen Lake) (2011) erklärte Sigalit Landau: «Ich habe Schuhe in das salzige Wasser des Toten Meeres gelegt, so dass sie mit schweren Salzkristallen bedeckt wurden. Danach brachte ich sie zu einem zugefro- renen See in der Mitte Europas und legte sie auf das Eis. Jeder Schuh schmolz ein grosses Loch in das Eis. In der Nacht brachen sie schliesslich ein und ertranken im Süsswassersee, beladen mit der Schwere der Geschichte. Ich drehte das Video in Polen in der revolutionären Stadt Danzig, um ein Werk zu schaffen, das die kollektive Erinnerung und den kollektiven Schmerz berührt.» Der Titel des Videos – Salziger See (Schuhe mit Salzkristallen auf einem gefrorenen See – weist bereits auf ein Paradoxon hin. Ist dieses Werk als Anspielung auf die gescheiterten Migrationsversuche, den traditionellen Strom von Süden nach Norden zu verstehen? Der Soundtrack (Geräusche der Danziger Werft) verleiht den relativ statischen Bildern auf jeden Fall eine dramatische Note.

Nalini Malani
(Karachi, 1946)

Der Titel des Werks Can You Hear Me (2018-2020) geht auf eine Animation aus dem Jahr 2018 zurück: die Geschichte eines minderjährigen Mädchens, das vergewaltigt und ermordet wurde, ohne dass jemand es hat schreien hören. Diese Stimme der Enteigneten, die nicht gehört oder bewusst ignoriert wird, kommt in mehreren Registern zum Ausdruck, die von Ironie bis Absurdität reichen, und wird von leuchtenden Farben und raschen Klängen begleitet. Nalini Malani bezeichnet diese komplexe Installation als «Animationskammer, die die Stimmen in meinem Kopf und meinem Herzen enthält und simuliert, wie mein Geist als geordnetes Chaos funktioniert». Ausgangspunkt dieser mit den Fingern auf einem iPad gezeichneten Bilder ist oft ein Zitat (u. a. von Bertolt Brecht, George Orwell, Hannah Arendt, Milan Kundera und Mohammed El Faïz). Die Bildsequenzen, Texte und Klänge kreuzen und überschlagen sich und machen uns nach und nach bewusst, dass es hier um Gewalt, Ungerechtigkeit, Fundamentalismus, Diskriminierung und Umweltzerstörung geht.

Teresa Margolles
(Culiacán, 1963)

Das gesamte Werk der mexikanischen Künstlerin Teresa Margolles dreht sich um das Thema Tod. Die auf Leuchttischen, die ein wenig an Seziertische erinnern, ausgebreiteten Stoffe sind mit dem Blut und Körperflüssigkeiten von Frauen getränkt, die in lateinamerikanischen Ländern (Guatemala, Mexiko, Nicaragua) ermordet wurden. Engagierte Frauenorganisationen wurden gebeten, in einem Akt des Gedenkens und der Revolte typische Motive ihrer Kultur auf diese Stoffe zu sticken (z. B. der Maya-Kultur in Nkijak b’ey Pa jun utz laj K’aslemal (Opening Paths to Social Justice), 2012-2015). Laut der Künstlerin steht bei diesem Projekt das Konzept des Widerstands im Fokus. Die Werke sind also nicht nur schockierende Zeugnisse von Femiziden (die unter dem «Sonnenschirm» razada (La Sombra), Blanket (The Shade) (2016), im zweiten Stock des Museums physisch noch schwerer zu ertragen sind), sondern auch konkrete Beispiele für den Kampf gegen Gewalt, für eine Art des stillen Aktivismus, für Wiedergutmachung durch und über die Kultur.

Zanele Muholi
(Umlazi, 1972)

Diese sechs riesigen Drucke wurden von Zanele Muholi aus der 2014 begonnenen Serie Somnyama Ngonyama (Sei gegrüsst, schwarze Löwin) ausgewählt, die mittlerweile über 100 Selbstporträts umfasst. Die:r südafrikanische:r LGBTQI+-Künstler:in, die:r sich selbst als «visuelle:r Aktivist:in» be- zeichnet und sich als nonbinär identifiziert, verwandelt sich mit Schmuck und anderen behelfsmässigen Kopfbedeckungen in stereotype Bilder von schwarzen Frauen, wobei sich Zanele Muholi eigenen Aussagen zufolge immer «auf einen besonderen Fall, eine historische Figur oder eine persönliche, soziopolitische oder auch kulturelle Erfahrung bezieht». Zanele Muholi stellt diese Frauen nicht dar, sondern verkörpert sie. Die oft absurden Objekte, mit denen sich die:r Künstler:in schmückt, und die betonten Klischees können aber die Ernsthaftigkeit der Botschaft, die durch den scharfen Blick von Zanele Muholi verstärkt wird, nicht verdrängen: die Verurteilung von Rassen- und Geschlechterdiskriminierung. Insofern ist Zanele Muholis Fotoserie selbst ein gigantisches Pride-Festival.

Félix Vallotton
(Lausanne, 1865 – Paris, 1925)

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, meldete sich Félix Vallotton freiwillig zum Einsatz, wurde aber wegen seines Alters abgelehnt. Erst 1917 konnte er in einer offiziellen Mission als Kriegsillustrator an die Front gehen. Die sechs Holzschnitte der Folge «C’est la Guerre!» (1915–1916), die das tragische Schicksal der Soldaten in den Schützengräben und die Leiden der Zivilbevölkerung in den Fokus rücken, beruhen also nicht auf realen Erfahrungen. Sie sind vielmehr (höchst virtuose) Versuche, Szenen der Zerstörung über die Vorstellungskraft eines Menschen darzustellen, den der moderne, entmenschlichte, gesichtslose Krieg zugleich entsetzt und fasziniert. Tote Soldaten, verfangen in Stacheldraht, explodierende Granaten, Orgien und Vergewaltigungsszenen wurden so zu Motiven von beinahe abstrakten Schwarz-Weiss-Kompositionen, die eine Welt der Dunkelheit heraufbeschwören: Bilder eines grandios geordneten Chaos.

Publikation

Résister, encore

Bernard Fibicher ( Hg. ), Résister, encore, mit Textbeiträgen von Mieke Bal, Pascal Chabot, Markus Gabriel, Isabelle Graw, Mary Jane Jacob, Plínio Prado, Andrew Ross, Gregory Sholette, Markus Steinweg und Michel Thévoz Ko-Edition Musée cantonal des Beaux-Arts de Lausanne und JRP Editions Genf, 2022 ( zwei Ausgaben F und E ), 176 S.
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CHF 25.–